Vivienne Westwood

Jan 23, 2023

Ja, sie war die „Verrückte“ mit den orangenen Haaren. Aber sie war auch so viel mehr als das. Vivienne Westwood († 81) hinterließ mit ihrem Tod am 29.12.2022 wichtige Botschaften an alle Frauen …

Leben ohne Luxus

30 Jahre lang lebte die Star-Designerin einfach und bescheiden für 400 Pfund Miete in einer Sozialwohnung mit zwei Zimmern in Clapham, einem südwestlichen Stadtteil von London. Erst im Jahr 2000 konnte ihr Mann Andreas Kronthaler (57) sie zum Umzug in ihr 1703 erbautes Haus im Queen-Anne-Stil überreden. „Ich komme aus der Arbeiterklasse und habe gelernt, sparsam zu sein. Das Spielzeug haben wir aus ausrangierten Sachen vom Hinterhof gebastelt. Besitz stört mich. Er macht das Leben nur komplizierter“, erklärte Vivienne mal. Luxus war ihr nie wichtig – dafür aber die Welt zu retten. Ihre Botschaft: „Der erste Schritt zur Weltverbesserung ist die Selbstverbesserung. Statt Fleisch und Getreideprodukte esse ich Gemüse und Obst.“ Ein Auto wollte die Mode-Ikone auch nicht, sie fuhr stets Fahrrad. Außerdem spendete sie Millionen für die Rettung des Regenwaldes, protestierte gegen Fracking, für Tierrechte, für den Schutz indigener Völker, gegen Atomwaffen und, und, und…

„Mode ist sehr bedeutsam. Sie macht das Leben schöner und es lohnt sich, sie gut zu machen – wie bei allem, das uns Freude bereitet.“

Leben mit Selbstliebe

Andere versuchen, ihren Körper mit dem Älterwerden zu verstecken. Nicht so die ehemalige Grundschullehrerin: „Mein Körper hat mir immer Vergnügen bereitet“, sagte sie in einem Interview. „Ich glaube, dass ein Mann, der mich nicht jeder anderen Frau im Raum vorziehen würde, entweder verrückt oder blöd ist.“ Ja, jede Frau sollte ihren Körper lieben! Die Grand Dame des Punk provozierte sogar gern mit ihrem: 1992, als Vivienne im Kensingtonpalast zum Offizier des Britischen Empire ernannt wurde, trug sie keine Unterwäsche – und zeigte das auch den Fotografen.

 

Leben ohne Grenzen

Autodidaktisch brachte sich die Mutter von zwei Söhnen alles in Sachen Mode selbst bei. Die Wegbereiterin des Punks in der Modeszene trennte die Nähte ihrer Kleidung auf und untersuchte die Schnittmuster. Ihre Kreativität tat den Rest: Sie bemalte T-Shirts mit Phallussymbolen, verzierte sie mit Leder, Nieten und Nägeln. Sie machte den Punk gesellschaftsfähig und skandierte grafisch Slogans wie „Chaos“ oder „Destroy“ – gerne auch in Bezug auf ein Hakenkreuz. Später verband sie das Ganze mit Fetischmode und benannte ihren Laden auf der King’s Road in London, den sie in den 70er-Jahren mit Malcolm McLaren († 2010) – dem Manager der Punkband Sex Pistols – führte, schlicht in „SEX“ um. Alles darin und daran war Provokation, vom Namen über die Klamotten bis zu den Verkäuferinnen, die vielen Kunden und Kundinnen solche Angst einjagten, dass sie sich nicht trauten, den Shop überhaupt zu betreten. Viviennes Erfolg tat dieser mutige Schritt aber keinen Abbruch. Und sie hat bewiesen, dass man so vieles – auch allein – schaffen kann.

Leben mit einem Jüngeren

Seit 1992 liebte die Britin den 25 Jahre jüngeren Tiroler Andreas Kronthaler. Die beiden lernten sich kennen, als Vivienne Gastdozentin an der Wiener Universität für angewandte Kunst und er einer ihrer Studenten war: „Ihr hat gut gefallen, dass ich ein Fantast bin und groß denke. Sie suchte meine Gegenwart und hat sich sehr wohlgefühlt mit mir – und plötzlich waren wir ständig zusammen. Unaufhörlich.“ Er benannte das Rezept ihrer Liebe so: „Ich glaube an die Ehe als Energiequelle. Liebe verletzt einen um so viel, wie man durch Liebe geheilt wird. Eine Ehe gibt dann etwas hinzu – was vielleicht an dem Versprechen liegt. Vivienne und ich teilen alles, und das Gute wird doppelt so gut.“ Sie widerum sagte über ihren Mann, dass er „der talentierteste Mensch“ sei, den sie „je getroffen“ habe. Der Altersunterschied war beiden unwichtig. Richtig so!

 

Leben ohne Angst vor Konsequenzen

Ihr Umweltbewusstsein und die Kapitalismuskritik wirkten sich auch auf Viviennes eigenes Geschäft aus. „Niemand braucht das alles“, so Westwood 2013. Sie weigerte sich, weitere Geschäfte aufzumachen, stellte Berater ein, die ihr halfen, umweltschonender Materialien zu beschaffen, sie wollte „einfach weniger Produkte anbieten.“ Ihr Aufruf an die Konsumenten: „Kauft weniger, wählt sorgfältiger aus, nutzt es länger.“ Ein leuchtendes Beispiel für eine Frau, die Ihre Überzeugungen wirklich lebte.

Die Designerin entwarf auch Hochzeitskleider, unter anderem für die von Sarah Jessica Parker verkörperte Serienfigur Carrie Bradshaw aus „Sex and the City“.

Fotos: @carriebradshaws–outfits, IMAGO

@viviennewestwood