Abnehmen in den Wechseljahren

Jan 6, 2022

Auf die Schnelle mal ein paar Pfund abnehmen? Je älter man wird, desto schwieriger ist das. Wir haben den Nürnberger Frauenarzt Dr. Bernd Kleine-Gunk gefragt, wie es trotzdem klappt und was man dabei beachten muss…

dieAlte: Weshalb ist Abnehmen in den Wechseljahren eigentlich so schwierig?

Dr. Bernd Kleine-Gunk: Abnehmen ist immer schwierig. Statistiken zeigen das von 10 Menschen, die eine Reduktionsdiät beginnen, 9 innerhalb eines Jahres ihr Ausgangsgewicht wieder erreicht oder sogar überschritten haben. Das heißt, wir haben es bei den Reduktionsdiäten mit einer Therapieversagerrate von 90% zu tun. Anders ausgedrückt: Krebs lässt sich inzwischen erfolgreicher behandeln als Übergewicht. Und in den Wechseljahren scheint dass nochmal besonders schwierig zu sein

Warum nimmt fast jede Frau in dieser Zeit zu?

Das hat gar nicht so viel mit den Geschlechtshormonen zu tun, wie man gemeinhin denkt. In den Wechseljahren sinken die Östrogene ja deutlich ab. Das wird häufig mit einer Gewichtszunahme in Zusammenhang gebracht. Werden dann aber im Rahmen einer Hormonersatztherapie die fehlenden Hormone wieder, ersetzt klagen auch viele Patienten über Übergewicht und schreiben dies nun gerade dem Hormonersatz zu. In Wirklichkeit hat es gar nicht so viel mit den Geschlechtshormonen selbst zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass sich im Alter die Körperzusammensetzung ändert. Die Muskelmasse wird weniger, damit sinkt der Grundumsatz und dadurch nimmt man auch leichter zu.

Ist dieser Vorgang eigentlich schleichend?

Ja, in den meisten Fällen ist er schleichend. Aber er kann individuell unterschiedlich schnell verlaufen.

Und, wann genau fährt unser Stoffwechsel herunter?

Das ist in der Tat nicht etwas, das erst mit den Wechseljahren beginnt sondern eigentlich schon mit dem 30. Lebensjahr.

Wieviel Kalorien macht das denn eigentlich aus (also die, die ich weniger brauche)?

1 kg Muskelmasse verbraucht in Ruhe ca. 100kcal in 24 Stunden. Im Schnitt geht man davon aus, dass etwa 1% Muskelmasse pro Jahr verloren geht. Da kann man sich dann ausrechnen wie sehr der Grundumsatz absinkt.

Welche Rolle spielen die Hormone?

Bezüglich der Geschlechtshormone teilweise bereits oben beantwortet. Bei Frauen ist es aber wichtig noch auf andere Hormone zu achten, nämlich auf die Schilddrüsenhormone. Gerade bei Frauen ist eine latente Schilddrüsenunterfunktion weit verbreitet. Liegt die vor, ist das Abnehmen noch einmal schwieriger.

Haben wenig Schlaf und Hitzewallungen eigentlich auch Auswirkungen auf unseren Kalorienverbrauch?

Ja, in den meisten Fällen ist er schleichend. Ja: schlechter Schlaf führt zu Übergewicht. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man dann auch häufig aufsteht und an den Kühlschrank geht. Normalerweise ist es dann auch nicht unbedingt ein Feldsalat, der morgens um zwei verzehrt wird.

Was kann man dagegen tun?

Dagegen kann man eigentlich nur eines tun, nämlich Sport machen. Und zwar nicht nur Ausdauersport sondern auch gezielt Muskeltraining.

Welche Diät hilft? Oder lieber Ernährungsumstellung?

Wir sprechen inzwischen tatsächlich lieber von Ernährungsumstellung als von Diät. Den Begriff Diät haftet inzwischen schon ein wenig der Ruf an, dass man (wie bei einer Crash -Diät) schnell abnimmt aber dann auch entsprechend wieder schnell zunimmt.
Für eine langfristige Gewichtsreduktion ist von daher auch eine langfristige Ernährungsumstellung wichtig.

Kann Scheinfasten den Kalorienverbrauch ankurbeln bzw. Unsere Körper wieder auf die „Spur“ bringen?

Scheinfasten ist ein guter Einstieg in eine Gewichtsreduktion. Dieser 5-tägige Prozess macht ja Fasten insgesamt sehr viel einfacher. Wenn es der Einstieg in eine langfristige Gewichtsreduktion sein soll, muss dem allerdings auch eine entsprechende Ernährungsumstellung folgen. Ansonsten ist Scheinfasten vor allem ein Programm, das auch ausgeprägte Anti-Aging Effekte hat.

Stichwort Jojo-Effekt: Gibt es einen Trick, um den Stoffwechsel zu pushen?

Da wird zwar immer alles Mögliche gehandelt. Im Prinzip bleiben aber 2 Dinge übrig, die tatsächlich helfen: weniger essen und mehr Sport treiben. Das ist vielleicht eine etwas ernüchternde Nachricht. Dafür hat sie sie aber einen großen Vorteil: sie stimmt.

Helfen eigentlich Vitamine oder Nahrungsergänzungsmittel?

Nur sehr bedingt. Es gibt zwar einige Nahrungssupplemente (zum Beispiel L-Carnitin), denen zugeschrieben wird, dass sie beim Abnehmen helfen. Das tun sie aber tatsächlich nur im sehr geringen Maße. Es bleibt dabei, dass die Kalorienzufuhr reduziert werden muss. Nahrungsergänzungsmittel können dabei allen Falls eine minimal zusätzliche Wirkung entfalten.

Was ist eigentlich mit diesen „Abnehmtabletten“, die die Fettaufnahme verhindern sollen?

Die gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Die Euphorie ist inzwischen ziemlich verflogen. Vor allen auch deshalb, weil die Fettaufnahme gar nicht mehr -wie früher- als hauptsächlicher Grund für die Gewichtszunahme angenommen wird. Hier spielen die Kohlenhydrate die sehr viel gößere Rolle.

Wird eigentlich auch die Haut schlaffer (und das Bindegewebe?)

Das ist in der Tat so. Das registriert sicherlich auch jede Frau (und mancher Mann) mit zunehmendem Lebensalter. Grund ist vor allem die Tatsache, dass das Kollagen (sowie auch das Elastin) also das Stützgewebe unserer Haut mit dem Alter abnimmt.

Wieviel bringt Sport? Und, was sollte ich da beachten. Also z.B. Puls….

Sport ist eine wichtige und sinnvolle Maßnahme um eine Gewichtsreduktion zu unterstützen. Allerdings sollte man die Effekte auch nicht zu hoch bewerten. Ein Beispiel: Eine Std Tennis verbrennt etwa 350 kcal. In einem Kilogramm Fettgewebe sind aber 7000kcal gespeichert. Das bedeutet, dass ich ca. 20 Std Tennis spielen muss, um ein Kilogramm reines Fett zu reduzieren. Das spricht nicht gegen das Tennis. Es zeigt aber, dass der wesentliche Aspekt bei der Gewichtsreduktion tatsächlich die Ernährungsumstellung ist. Sport stabilisiert eher die Gewichtsreduktion.

Was kann man noch tun gegen die bösen Pölsterchen?

Hier gibt es in der Tat eine Methode, die recht sinnvoll ist und zwar die sogenannte Kryolipolyse. Das ist nicht primär eine Methode um generell Gewicht abzunehmen. Bei sogenannten Problemzone, also Speckröllchen an definierten Stellen (mittlerer Ring, sogenannte Love Handles, etc) kann die Kryolipolyse aber sehr hilfreich sein. Der Effekt besteht darin, dass man durch Kälte das Fettgewebe zum Absterben bringt.

Oder hat die Natur das so eingerichtet, weil Pölsterchen im Altern Sinn machen?

Es gibt in der Tat einige neuere Studien, die zeigen, dass im Alter ein mäßiges Übergewicht ( BMI 25-27) mit gewissen gesundheitlichen Vorteilen einhe geht. Allerdings betrifft das wirklich nur leichtes Übergewicht. Starkes Übergewicht also ein BMI von 30+ ist immer etwas, dass für unsere Gesundheit schädlich ist.

Fotos: Dr Bernd Kleine-Gunk; Fuu J, Unsplash; Yulissa Tagle, Unsplash; Jennifer Burk, Unsplash

Interview: Y. Walbrun