Hormonersatztherapie – hilfreich oder gefährlich? –– Expertin Dr. Imke Mebes klärt auf

Jul 6, 2023

Als Ärztin lernt Dr. Imke Mebes (44) sie immer wieder kennen – Frauen, die von Arzt zu Arzt gerannt sind, weil viele die Symptome (typische und untypische) der Wechseljahre garnicht vor Augen haben. Als Expertin für hormonelle Störungen kann Dr. Imke Mebes diesen Frauen helfen, oft mit einer Hormonersatztherapie (kurz HRT). Allerdings löst die HRT häufig erstmal Skepsis bei Patientinnen aus, da sie von Nebenwirkungen wie Brustkrebs gelesen oder gehört haben. Wie hoch das Risiko hierfür wirklich ist und welche Vorteile eine Hormonersatztherapie haben kann, erklärt uns Dr. Imke Mebes im Interview …

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Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin; Mitglied der Deutschen Menopausengesellschaft

Dr. Imke Mebes (44) arbeitet in einer Praxis mit dem Schwerpunkt für Reproduktionsmedizin (Kinderwunsch) und gynäkologische Endokrinologie in Hamburg. Hier behandelt sie alle Arten von hormonellen Störungen bis hin zu Wechseljahrsbeschwerden. Eigentlich ist sie ein waschechter Fischkopp, aber studiert hat sie in Jena/Thüringen mit einigen Auslandsaufenthalten verknüpft (Spanien, USA und Schweiz), wo sie schon ihre ersten Schritte in Sachen Reproduktionsmedizin machen durfte. Zurück in Norddeutschland war ihr Weg zu diesem medizinischem Schwerpunkt schnell gefunden und es ist ihr ein persönliches Anliegen Frauen und Paare mit Kinderwunsch, als auch Frauen im Rahmen mit Symptomen und Problemen des Hormonhaushaltes zu helfen.

dieAlte: Kannst du uns die Hormonersatztherapie (englisch: hormone replacement therapy, HRT) noch mal bitte erklären?

Dr. Imke Mebes: Generell ist HRT die englische Bezeichnung für hormone replacement therapy. Manchmal findet man auch den Begriff HET (Hormon Ersatz Therapie). Die Therapie ist geeignet um sogenannte vasomotorische Beschwerden im Rahmen der Wechseljahre zu behandeln. Also, dazu gehören die klassischen Symptome wie z.B. Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Schlafstörungen etc.

➜ Was ist eine HRT? (Bioidentisch) eine bioidentische Hormonersatztherapie wird mit Substanzen durchgeführt, die strukturgleich zu den körpereigenen Hormonen sind. Sie unterscheiden sich vor allem von den synthetischen Hormonen. Meist reden wir dann von einem Estradiolpräparat und einem Progesteronpräparat, welches die Patientinnen als bioidentische Therapie erhalten.

➜ Welche HRT-Anwendungen gibt es? (Östrogen, Progesteron, Testosteron) 
Grundsätzlich sollte unterschieden werden, welche Therapie benötigt wird. Bei einer Frau mit Gebärmutter muss zwangsläufig eine Östrogen/Gestagentherapie angewendet werden, bei einer Frau nach einer Gebärmutterentfernung reicht eine Östrogen-Monotherapie. Natürlich müssen zuvor Risikofaktoren und ggfs Kontraindikationen ausgeschlossen werden. Dann kann man nach verschiedenen Aspekten noch unterscheiden, ob man diese Therapie komplett oral (zum schlucken) oder transdermal nimmt. Beides kann Vor- und Nachteile haben.

 

Es gibt doch Vor und Nachteile bei der HRT? Oder liege ich da falsch? Der Volksmund meint ja nur Nachteile…

Leider sind in der Presse und im Volksmund vor allem die Nachteile präsent, daher sollte man hier auch gut beraten. Vorteile gesichert sind natürlich die Linderung der klimakterischen Beschwerden und auch eine Prävention gegen Osteoporose. Zudem kann es auch zu einer Herabsenkung von anderen Krebsarten wie z.B. einem Darmkrebs kommen. Eine HRT kann die Stoffwechselsituation und Fettstoffwechselsituation günstig beeinflussen, einen positiven Effekt auf kognitive Leistungen haben und das Gefäßsystem elastisch halten. Also bei Weitem nicht nur Nachteile..

„Eine HRT kann die Stoffwechselsituation und Fettstoffwechselsituation günstig beeinflussen, einen positiven Effekt auf kognitive Leistungen haben und das Gefäßsystem elastisch halten. Also bei Weitem nicht nur Nachteile..“

Die Hormonersatztherapie wird auch immer im selben Atemzug wie Brustkrebs genannt. Was ist da dran?

Das ist ein grosses Thema, ich glaube fast für viele das einzige Thema, wenn es um die HRT geht. Versuchen wir es mal so zusammenzufassen: Das Risiko an Brustkrebs zu erkranken durch eine Östrogen/Gestagentherapie, wir sagen, Kombinationstherapie, ist weniger als 1 zusätzlicher Fall/1000 Anwenderinnen/Jahr (wir reden hier vom Promillebereich). Man sollte also auch bedenken, dass bei einem mäßigem Alkoholkonsum oder einer Adipositas das Risiko größer ist als bei einer Frau mit geringem Basisrisiko und einer HRT.

 

Ist für die HRT eine Hormondiagnostik notwendig?

Das ist eine schwierige Frage ☺ Durch eine gute Anamnese lässt sich schon sehr viel erfassen wie weit eine Frau in den Wechseljahren sein könnte, da uns das Blutbild am Ende ja auch nur eine Momentaufnahme liefert, aber häufig ist das Verständnis und auch die Wahl einer Therapieform schon mit einer Blutuntersuchung erleichtert. Zum Schluss kann ich ja auch einen Therapieerfolg überprüfen.

 

Welche HRT Anwendungen gibt es?

Grundsätzlich gibt es Gele, Spray, Pflaster und Pillen. Wann wer welche Art bevorzugt oder sogar aufgrund einer ärztlichen Empfehlung nehmen sollte, muss im direkten Arztgespräch geklärt werden, dafür gibt es keine allgemein Antwort für alle, daher warne ich immer davor zu sagen, meine Freundin hat aber…, da kann das ganz anders aussehen, als bei einem selbst.

Ab wann sollte ich mit einer HRT beginnen? Kann es dafür auch zu spät sein?

Wir reden ja alle von dem goldenen Fenster und das scheint es tatsächlich zu geben, also maximal 10 Jahre, besser unter 5 Jahre nach der letzten Blutung und nicht älter als 60 Jahre. Grob gesagt, überwiegen nach dem goldenen Fenster die Nachteile gegenüber den Vorteilen.

„Ich empfehle dann eine HRT, wenn die Patientin entweder bei Beschwerden schon eine pflanzliche Therapie probiert hat oder die Beschwerden so massiv und lebensqualitätseinschränkend sind, dass eine pflanzliche Therapie nicht mehr sicher zur Verbesserung führen wird. Das ist Einschätzungssache.“

Wann empfiehlst du als Ärztin eine Hormonersatztherapie?

Ich empfehle dann eine HRT, wenn die Patientin entweder bei Beschwerden schon eine pflanzliche Therapie probiert hat oder die Beschwerden so massiv und lebensqualitätseinschränkend sind, dass eine pflanzliche Therapie nicht mehr sicher zur Verbesserung führen wird. Das ist Einschätzungssache. Ich bin immer sehr dafür, dass wir die individuelle Situation besprechen und gucken, ob eine pflanzliche Therapie nicht doch noch sinnvoll wäre, z.B. mit Extrakten, wo Traubensilberkerze drin ist. Bei leichten Beschwerden versuche ich auch zu besprechen, welche Möglichkeiten sich neben einer Therapie ergeben (und da gibt es ja zum Glück schon gute Unterstützung durch verschiedene Module, die sich mit Sport, Ernährung , Gewicht, life style sehr gut auskennen).

 

Gibt es Nebenwirkungen bei einer HRT?

Ja, die gibt es und meist am Anfang. Man sollte der HRT durchaus Zeit geben, denn der Körper muss sich ja an die neue Situation gewöhnen. Also, Blutungen, Brustspannen, Gefühl von Wassereinlagerungen können ganz normal sein, sollten nach einigen Wochen aber gehen, daher ist eine Verlaufskontrolle nach ca 3 Monaten auch sinnvoll.

 

Warum haben so viele Frauen Angst vor der Hormonersatztherapie?

Die WHI ((Women’s Health Initiative)) ist eine groß angelegte randomisiert-kontrollierte Studie, die in den USA durchgeführt wurde. Die Fragestellung der Studie war ursprünglich: Schützen Hormone vor Herzinfarkt bei Frauen nach den Wechseljahren, die keine koronare Herzkrankheit haben?
In einer Teilstudie der WHI wurden Frauen mit Gebärmutter untersucht. Das Alter der Studienteilnehmerinnen betrug im Durchschnitt 63 Jahre. Insgesamt wurden 8102 Frauen mit einem Placebopräparat und 8506 Frauen mit einer Kombination aus den Hormonen Östrogen (equin, also aus Stutenharn gewonnen) und Gestagen (Medroxyprogesteron -Acetat) behandelt.
Die Studie wurde damals vorzeitig abgebrochen nach ca 5 Jahren. Die gesundheitlichen Risiken der Einnahme von Hormonen waren höher als der Nutzen. In der Gruppe der Hormonanwenderinnen war unter anderem eine Zunahme an Brustkrebsdiagnosen zu verzeichnen (WHI 2002).

Ergebnisse aus der WHI (Women’s Health Initiative) Hormone schützen nicht vor Herzinfarkt oder anderen Folgen der koronaren Herzkrankheit (Erkrankung der Herzkranzgefäße). Bei Einnahme eines Kombinationspräparates aus Östrogen und Gestagen kommt es sogar zu einer Zunahme von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Thrombosen und Embolien. Auch die Häufigkeit von Brustkrebsdiagnosen nimmt zu. Bei alleiniger Einnahme von Östrogen (für Frauen ohne Gebärmutter) kommt es zu einer Zunahme von Schlaganfällen und Thrombosen.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Studie von 2002 wurden damals von der Presse ausgeschlachtet und sich nur auf den Aspekt Brustkrebs gestürzt. Leider ist das in den Köpfen noch immer drin, auch bei einigen Ärzten. Ein weiterer Aspekt war auch das die meisten Frauen zu alt waren, durchschnittlich 63 Jahre. Und es wurden auch in der Studie keine Frauen mit Brustkrebs oder anderweitigem Risiko in der Familie ausgeschlossen. Im Gegensatz zu früher gibt es heut andere Hormone, bioidentische die nicht auf Basis von Stutenurin hergestellt werden.

 

Gibt es noch was das du als Ärztin und oder Frau gerne der dieAlte-Community mitgeben möchtest?

Also, man sollte bei Symptomen die Möglichkeit, dass es die Wechseljahre sein könnten zumindest in Betracht ziehen. Wichtig ist: Information, Beratung und dann eine Entscheidung für sich selbst zu treffen. Und für die Frauen selbst: Die Wechseljahre sichtbar machen, darüber reden, es von einem immer noch besetzten Schamgefühl befreien, weil es weder eine Krankheit ist, noch für etwas wofür man sich schämen muss. Wir Frauen stehen in dem typischen Alter mitten im Leben, haben Familie und häufig einen Job und alles fordert uns! Eine bestmögliche Unterstützung sollte das mindeste sein, was wir auch von ärztlicher Seite leisten sollten.

„Zusammenfassend kann man sagen: Die Studie von 2002 wurden damals von der Presse ausgeschlachtet und sich nur auf den Aspekt Brustkrebs gestürzt. Leider ist das in den Köpfen noch immer drin, auch bei einigen Ärzten.“

Weitere Infos zu Dr. Imke Mebes findest du auf Instagram: @docimkemebes

Foto: Imke Mebes