Naturmedizin oder bioidentische Hormone? Oder beides? Die spannenden Antworten der Apothekerin

Aug 24, 2022

Das Thema Frauengesundheit lag Ann-Katrin Pause (50) schon immer besonders am Herzen. Seit über 20 Jahren berät und begleitet sie als Apothekerin Kundinnen dazu und natürlich auch zu allen anderen Bereichen. Sie ist eine Fachfrau – keine Frage. Aber als sie selbst mit ca. 45 Jahren Veränderungen bei sich feststellte, war auch ihr zunächst nicht klar, dass es sich um die Perimenopause handelte. Für sie fehlten die „klassischen“ Symptome. Die Mutter einer mittlerweile 17-jährigen Tochter begann, sich noch eingehender mit dieser Lebensphase der Frau zu befassen, einen genauen Blick auf die Wissenschaft zu werfen und stellte internationale Behandlungsvergleiche an.
Dass ab dem ca. 40. Lebensjahr die Perimenopause bei Frauen mit bis zu 60 verschiedenen Symptomen auftritt, darüber ist kaum etwas bekannt.
Für viele Frauen bedeuten gerade diese Zeiten hormoneller Veränderungen eine große Herausforderung. Welcher Weg ist der richtige, welche Maßnahmen sind sinnvoll?
Darüber sprechen wir mit der Apothekerin aus Würzburg.

dieAlte: Du bekommst in Deinem Job ja viele Fragen gestellt, z.B. „Welches Produkt ist bei Reizhusten geeignet?“ und „Was würden Sie bei Magen-Darm-Problemen empfehlen?“ Gibt es solche Fragen auch von Frauen, wenn es um die Wechseljahre geht?
Ann-Katrin: Die Gespräche mit Frauen ab 40+, die altersmäßig in Richtung Perimenopause gehen, starten in der Apotheke meist ganz unspezifisch und eher vorsichtig.
Frauen berichten von verschiedenen, eher unverfänglichen Symptomen, wie Schlafstörungen oder Stress, Gewichtszunahme, Erschöpfung und fragen höchstens mal nach einem pflanzlichen oder homöopathischen Mittel.
Wenn ich dann gezielter nachhake und andere mögliche Symptome erwähne, öffnen sie sich meist sehr schnell und es sprudelt nur so aus ihnen heraus.
Gerne biete ich dann für mehr Diskretion ein kurzes Gespräch in unserem Beratungsraum an. Dort haben die Frauen die Möglichkeit, offen über ihre aktuellen Beschwerden zu sprechen. Dann kommen auch Themen wie vaginale Trockenheit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder auch depressive Symptome und Ängste buchstäblich auf den Tisch gepurzelt.

Wird öfters nach Medikamenten zur Linderung der Wechseljahrbeschwerden gefragt, oder ist es noch ein Tabu-Thema, was Frauen nicht gerne ansprechen?
In der Selbstmedikation gibt es eine Vielzahl von pflanzlichen Präparaten, die Frauen oft längere Zeit mit guten Erfolg verwenden. Auch ich empfehle in meinen Beratungen gerne gut untersuchte Arzneipflanzen, die schon seit Jahrhunderten in der Frauenheilkunde Anwendung finden.
Oft sind es Präparate mit Mönchspfeffer, Traubensilberkerze, Baldrian, Hopfen, Passionsblume, Ashwagandha, etc. oder auch homöopathische Mittel, Probiotika und Nahrungsergänzungsmittel.
Oft nehmen Frauen jahrelang Produkte auf Empfehlung von Freundinnen, wobei bei vielen Frauen nicht wirklich über eine Alternative nachgedacht wird.
Es herrscht oft das Motto „da muss ich eben jetzt durch“ und „bloß keine Hormone“.
Für die vaginale Gesundheit greifen Frauen einfach oft zu feuchtigkeitsspendenden Pflege- oder Gleitgelen oder Cremes gegen die in den Wechseljahren fortschreitende, vaginale Trockenheit (durch sinkende Östrogenproduktion) und stoßen dabei an die Grenzen der Wirksamkeit, da der Östrogenverlust an den Schleimhäuten nicht ausgeglichen werden kann.

Es herrscht oft das Motto „da muss ich eben jetzt durch“ und „bloß keine Hormone“.

Kann da eine HRT (Hormonersatztherapie) helfen? Oder gibt es da Vorbehalte?Es ist nach wie vor eine riesige Verunsicherung bzgl. einer Hormonersatztherapie zu beobachten. Dies ist auf große Studien aus den 90er Jahren zurückzuführen, die dann einen kompletten Einbruch für die HRT weltweit zur Folge hatten.
Heute weiß man, dass viele Aspekte dieser Studien falsch interpretiert und die Studien bzgl. Alter und Krankheitsgeschichte der Probandinnen falsch angelegt wurden und zieht heute andere Schlüsse daraus.
Es hat sich zwar in der modernen Medizin viel getan, man verwendet wenn möglich bioidentische Hormone in geringstmöglicher Dosierung, um für die Frauen die größtmögliche Sicherheit und den größtmöglichen Nutzen zu gewährleisten.

Man weiß inzwischen auch, dass eine moderne Hormonersatztherapie einen grossen präventiven Nutzen bzgl. späteren Erkrankungen wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose und Demenz haben kann. Dies findet weltweit immer mehr Beachtung und es werden viele Studien dazu durchgeführt.

Ann-Kathrin Pause Apothekerin aus Würzburg unterstützt Frauen durch ihre Hormonberatung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch beispielsweise in England. Alles möglich durch die Online-Beratung!

Die Verunsicherung ist noch groß wie Du sagst, wird denn da bei der Frauenärztin nachgefragt um es erklärt zu bekommen oder schämen sich Frauen deswegen?
Auf eigene Faust fragen die wenigsten Frauen beim Frauenarztbesuch nach einer Hormonersatztherapie oder lehnen diese innerlich eher ab.
Da ist oft wieder Scham mit im Spiel, das Gefühl „es alleine da durch“ schaffen zu müssen. Oft sind den Frauen auch die verschiedenen Symptome den Hormonmangels nicht bekannt, dass z.B. Gelenkschmerzen, Herzklopfen, Schlafstörungen, Ängste, ..etc. auftreten können. Dafür würden sie zur Abklärung eher andere Fachärzt*innen aufsuchen und erwähnen es gar nicht beim gynäkologischen Termin. Schwupp ist der Arztbesuch vorbei, Abstrich ist gemacht und bis zur nächsten Vorsorgeuntersuchung wird wieder auf eigene Faust weitergemacht und oft unfassbar gelitten.

Wissen die meisten Frauen Bescheid über die hormonellen Veränderungen etc.?
Nein, denn gerade der Begriff der Perimenopause und dass das die Jahre vor dem endgültigen Ausbleiben der Regel sind, ist den meisten Frauen völlig unbekannt. Ebenso dass diese Jahre geprägt sind von den unterschiedlichsten Symptomen, die auch zwischendurch wieder verschwinden können und dann irgendwann umso stärker zurückkommen.
Ich leiste täglich Aufklärungsarbeit in der Apotheke und in meiner Hormonberatung. Dass einfach noch so viel mehr dahinter steckt und dass nicht zwangsläufig die klassischen Hitzewallungen wie eine Art Leitsymptom auftreten müssen.

Wie kannst Du als Apothekerin den Frauen helfen?
ch bin als Apothekerin das Bindeglied zwischen Arzt und Patientin. Ich frage genau nach, was in der Praxis gesagt wurde und decke da oft Punkte auf, die nicht verstanden oder angesprochen wurden.
Man ist ja auch immer aufgeregt beim Arzt und vergisst schnell mal etwas. Das kenne ich auch von mir!
Ich erkläre auch genau die Wirkweise der verordneten Medikamente und die Art der Anwendung. Hier ist genug Zeit, auch auf die Bedenken der Kundinnen bzgl. der HRT einzugehen.
Durch das Bedürfnis meiner Kundinnen in der Apotheke nach ausführlicher Beratung im intensiven 1:1-Gespräch kam auch 2020 meine Hormonberatung zustande. Immer mehr Kundinnen wünschen sich eine breitere Beratung zum Thema Frauengesundheit allgemein, HRT, anderen Therapieoptionen, Nahrungsergänzung, Ernährung, Darmgesundheit, etc. und möchten mehr Beratungszeit jenseits der begrenzten zeitlichen Möglichkeiten in der Apotheke.
Im April 2022 war ich als eine von drei Apothekerinnen unter Gynäkolog*innen auf dem Menopause-Kongress der Deutschen Menopausegesellschaft. Es ging um die neuesten Therapieansätze und den aktuellen Stand der Wissenschaft. Der Austausch zwischen Ärzt*innen und Apotheker*innen war sehr spannend für mich.

Echter Sonnenhut, Echinacea purpurea, der zur Steigerung der Abwehrkräfte verwendet wird.

Wie schon angesprochen, viele Frauen glauben noch, dass Hormone Krebs auslösen. Das stimmt doch nicht?

Die Angst vor der Entstehung von Brustkrebs und anderen Krebsarten steht bis heute übermächtig im Raum. Verständlich, aber nach dem neuesten Stand der Wissenschaft nicht in diesem Maße nötig!
Wichtig ist, dass jede Frau optimal für ihre Situation und genetischer Disposition über den Einsatz von Hormonen aufgeklärt wird. Sie sollte sich auch bzgl. ihrer Ängste unbedingt ihrem behandelnden Arzt anvertrauen. Nur mit einem sicheren Gefühl kann die Therapie guten Erfolg haben!

Moderner Hormonersatz bedeutet, dass meist bioidentische Hormone verwendet werden, die mit denen, die unser Körper selbst produziert, identisch sind.
Zusätzlich gibt es Faktoren, die unbedingt mit in die Waagschale gehören, nämlich Übergewicht, Alkohol, Bewegungsmangel und Rauchen, also um die Lebensweise einer Frau.
Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass diese Punkte an sich schon das Risiko, an beispielsweise Brustkrebs zu erkranken, deutlich erhöhen.
Eine Frau, die diese Punkte beachtet, also Sport treibt, wenig Alkohol trinkt, nicht raucht und einen BMI von 25 oder weniger hat, fügt kaum ein Risiko durch HRT hinzu.
Hat sie allerdings einen BMI von ca. 30, raucht und bewegt sich wenig, fügt sie durch eine HRT zu den eh schon bestehenden Risiken noch eines hinzu. Zu beachten ist auch das Alter, in dem mit dem Hormonersatz begonnen wird.

Zusammenfassend kann man sagen: moderner Hormonersatz ist sehr sicher und niedrigstmöglich dosiert, erfolgt nach eingehender Anamnese durch den Arzt und soll die Lebensqualität der Patientin verbessern. Durch ihre Lebensweise kann die Patientin das gezielt weiter beeinflussen.

Bioidentische Hormone können auf Kassenrezept verordnet werden. Die Patientin bezahlt lediglich die normale Rezeptgebühr.

„Zusammenfassend kann man sagen: moderner Hormonersatz ist sehr sicher und niedrigstmöglich dosiert, erfolgt nach eingehender Anamnese durch den Arzt und soll die Lebensqualität der Patientin verbessern.“

Wie waren/sind Deine Wechseljahre? Gehörst Du zu den 30% Frauen die keine Beschwerden haben, oder kennst Du auch Schlafstörungen, Hitzewallungen und Co.?
Ich selber weiß, dass die ersten klassischen perimenopausalen Symptome bei mir mit 45 Jahren aufgetreten sind. Damals hatte ich zunehmend mit Schlafstörungen zu kämpfen, meine Stressresistenz nahm spürbar ab und ich fühlte mich tagsüber durch den Schlafmangel total energielos. Da mein Zyklus noch jahrelang komplett regelmäßig war, hatte ich die Perimenopause noch nicht so auf dem Schirm.
Als ich auch noch einen starken Eisenmangel und Haarausfall bekam, ordnete mein Hausarzt eine genauere Schilddrüsendiagnostik an. Daraufhin wurde bei mir eine Hashimoto-Thyreoiditis festgestellt, eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse. Alle meinte Symptome ordnete ich in der Folgezeit dieser Erkrankung zu.
Ich recherchierte ALLES zum Thema Schilddrüse, machte eine gezielte Darmsanierung, stellte meine Ernährung um und es ging mir besser. So weit, so gut. Aber ich spürte beispielsweise zunehmend PMS und deutlich stärkere Blutungen. Da war noch mehr!
Bei meiner Recherche, bei der ich auch internationale Vergleiche anstellte, stiess ich dann immer wieder auf die Tatsache, dass Hashimoto oder eine Schilddrüsenunterfunktion häufig in der Perimenopause diagnostiziert wird. Jetzt war ich im game, jetzt kamen die Sexualhormone dazu und das Thema hat mich bis heute nicht mehr losgelassen. Bis heute brenne ich dafür!

Inzwischen bin ich 50, meine Regel ist etwas unregelmäßiger und ich habe auf Verordnung meiner Frauenärztin mit einer bioidentischen HRT begonnen.
Warum? Weil der Schlafmangel und eine zunehmende Energielosigkeit ein Problem für mich waren. Ich verwende jetzt ganz nach Bedarf ein Östrogengel über die Haut und Progesteron als Kapseln. Diese sehr flexible Therapie ermöglicht mir einen besseren Schlaf, eine bessere Leistungsfähigkeit und ich fühle mich wieder wohl in meiner Haut.
Ich verwende eine geringe Dosis und achte auch sonst bestmöglich auf gesunde Ernährung, trinke wenig Alkohol und bewege mich viel. Auch die gezielte Entspannung darf nicht zu kurz kommen. Es ist eine Vielzahl von Maßnahmen, die für mich gut funktionieren. Das ist bei jeder Frau individuell unterschiedlich, genau wie jede Pubertät und jede Schwangerschaft.

 „Da mein Zyklus noch jahrelang komplett regelmäßig war, hatte ich die Perimenopause noch nicht so auf dem Schirm.“

Hat sich bei Dir was verändert, seit Du 50 bist?
Ich bin immer noch in der Perimenopause und nehme meinen Zyklus und die Veränderungen ganz bewusst war. Ich empfinde sehr deutlich, dass ich mich in einer anderen Lebensphase befinde, wo das Kinderkriegen kein Thema mehr ist und meine Tochter mich nicht mehr in großem Maße braucht.
Das gibt mir auch eine gewisse Freiheit zurück und ich genieße es sehr, mich z.B. in diese Frauencommunity, die auch über Instagram um mich entstanden ist, zu stürzen und mich zu vernetzen.
Ich achte heute sehr bewusst auf meine Regeneration und ein gezieltes Auftanken und klopfe mir für Multitasking nicht mehr auf die Schulter! Denn Multitasking heisst immer, dass man zu viel auf einmal macht und nichts davon genug Raum bekommt. Darüber habe ich früher nie nachgedacht, sondern durchgepowert!
Ich liebe meinen Beruf als Apothekerin sehr, denn er bedeutet Kontakt mit hunderten Menschen jede Woche, wobei mein Radar besonders auf Frauen ausgerichtet ist!
Mein Leitspruch im Moment (und das ändert sich ständig als neugieriger Zwilling): im Zweifel „drop the thought“!
Das ist ein buddhistischer Gedanke, der heißt: Zerdenke nicht alles, gib Dich nicht dem Gedankenkreisen und der Planerei hin, sondern lass es erstmal gut sein! Vieles findet sich dann von alleine!

Wie ist Dein Rat an die jungen Frauen, die noch entfernt von der Perimenopause und Menopause sind?
Achte auf Deinen Körper und wie er funktioniert.
Zyklustracking ist eine tolle Sache für ein besseres Körperverständnis. Es hilft jungen Frauen auch, ein Bewußtsein für die unterschiedliche Bedürfnisse während der einzelnen Phasen des Zyklus zu entwickeln. Wir Frauen sind nun einmal zyklische Wesen! Ich finde, gerade die Jahre der Perimenopause sollten mehr ins weibliche Bewusstsein dringen. So können Frauen ab 40 gezielter mit diesen Veränderungen umgehen und wissen, dass es ein Rollercoaster sein kann.
Die Zeit der Wechseljahre ist so viel mehr als Elend und Hitzewallungen!
Sie ist eine Zeit der Neuausrichtung, des Aufbruchs, den Abschneidens alter Zöpfe und ist ein Privileg!! Wir werden heute älter als die Generationen vor uns und dafür sollten wir dankbar sein!

Apothekerin Ann-Katrin

Weitere Infos zur Hormonberatung von Apothekerin Ann-Katrin Pause gibt es auch hier:
www.annkatrinpause.de oder hier auf Instagram: @annkatrinpause

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