Herzhaft Lachen, schnell vom Stuhl aufstehen – und das bitte, ohne das was in die Hose geht. Für viele Wechselfrauen ist dies leider ein Ding der Unmöglichkeit. Ihre Blase ist nicht mehr ganz dicht. Natürlich gibt es auch hierfür Hilfsmittel wie Einlagen etc. Aber wirklich sexy sind die nicht. Und auch deshalb lohnt sich bei wechseljahrsbedingter Inkontinenz der Besuch beim Facharzt, dem Urologen oder der Urologin. Wie genau der „Männerarzt“ bzw. die „Männerärztin“ helfen kann – übrigens auch bei Scheidentrockenheit, Harnwegsinfektionen und häufigem nächtlichem Wasserlassen – und wann wir doch lieber zum Gynäkologen sollten, verrät uns Dr. Dina Sahi im Interview …
dieAlte: Der Urologe wird im Volksmund oft auch als Männerarzt bezeichnet. Stimmt das?
Dr. Dina Sahi: Nein, der Urologe oder die Urologin behandelt alle Erkrankungen des Urogenitalsystems. Hierzu gehören neben den harnbildenden und harnableitenden Organen (Niere, Harnleiter, Blase, Harnröhre) auch die Genitalen. Da sowohl die Harnorgane als auch Genitalien bei beiden Geschlechtern vorkommen, behandelt eine Urologin dementsprechend auch beide Geschlechter. Häufige urologische Krankheitsbilder bei Frauen sind z.B. Harnwegsinfektionen/ Blasenentzündungen und Harninkontinenz.
Was macht dann eine Urologin/Urologe bei der Betreuung von Frauen in den Wechseljahren? Oder was ist der Unterschied zum Gynäkologen, da gehen Frauen ja auch mit Blasenschwäche hin?
Streng genommen werden Erkrankungen der Harnorgane vom Urologen und nicht vom Gynäkologen behandelt. In der Praxis überschneiden sich Frauenärztin und Urologin hier jedoch ein wenig, und es kommt eher auf die Expertise der einzelnen Ärztin als auf die Fachrichtung an.
„Grob kann man sagen, dass sich die Urologin vorwiegend um urogenitale Beschwerden kümmert (trockene Scheide, Inkontinenz, Harnwegsinfektionen, überaktive Blase), während systemische Beschwerden (Hitzewallungen, Depression usw.) bis hin zur Hormonersatztherapie oder rein vaginale Probleme/ bakterielle Vaginosen in die Hände von Frauenärzten gehören.“
Bei welchen Beschwerden kommen Frauen zu dir in die urologische Praxis?
Die häufigsten Beschwerden, mit denen sich Frauen in meiner urologischen Praxis vorstellen, sind:
- Harnwegsinfektionen (akut oder wiederkehrend)
- Harninkontinenz
- Drangbeschwerden/ überaktive Blase
- Scheidentrockenheit
- Blasensenkung/ Senkungsbeschwerden
- Nächtliches Wasserlassen (Nykturie)
Aber auch Tumorerkrankungen (Niere, Blase) oder Nierensteine kommen bei Frauen vor und gehören auch zum urologischen Praxisalltag
Gerade in den Wechseljahren leiden viele Frauen unter unkontrolliertem Urinverlust, auch Inkontinenz genannt? Oder ist das ein Mysterium?
In den Wechseljahren kann es durch einen anhaltenden Östrogenmangel neben der vaginalen Atrophie auch zur Atrophie der Harnorgane kommen. Eine Rückbildung der Schleimhaut von Harnröhre und Blasenhals kann mit Harninkontinenz und rezidivierenden Harnwegsinfektionen einhergehen. Ferner kann eine Beckenbodensenkung zu Drangbeschwerden führen. Der lokale Östrogenmangel verstärkt diese Symptome häufig noch.
Gibt es verschiedene Arten von Inkontinenz?
In der Tat unterscheiden wir Urologen verschiedene Harninkontinenzformen, welche auch alle unterschiedlich behandelt werden.
Es gibt die klassische Belastungsinkontinenz, bei der es zu unwillkürlichem Urinabgang bei Belastung (Husten, Niesen, Lachen, Trampolins springen, Joggen) kommt. Dies ist die häufigste Form der Inkontinenz bei Frauen. Der Druck im Bauchraum übersteigt hier bei Belastung den Druck in der Harnröhre, sodass es zum unbemerkten Urinverlust kommt. Bei Frauen ist die Ursache häufig eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, die durch Schwangerschaft und Geburt oder durch die hormonelle Umstellung während der Wechseljahre hervorgerufen werden kann.
Bei der Dranginkontinenz kommt es zum Urinverlust verbunden mit starkem Harndrang. Es wird auch Syndrom der überaktiven Blase genannt. Der Urinverlust ist hier schwallartig, und der Harndrang stellt sich meist überfallartig und ohne Ankündigung an. Ursächlich können eine Instabilität des Blasenmuskels, eine Blasenentzündung, aber auch Tumore sein. Nicht selten kann sich hinter den Symptomen eine neurologische Erkrankung verstecken (z.B. Multiple Sklerose).
Neben diesen häufigen Formen existieren auch seltenere Formen wie:
- Harninkontinenz bei neurogener Grunderkrankung (Parkinson, MS)
- Überlaufinkontinenz (unvollständige Blasenentleerung mit Überlauf)
- Extraurethrale Harninkontinnz (z.B. durch eine Fistel zwischen Scheide und Blase)
- Enuresis (Einnässen im Kindesalter)
„In der Tat unterscheiden wir Urologen verschiedene Harninkontinenzformen, welche auch alle unterschiedlich behandelt werden.“
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die Therapiemöglichkeiten sind vielfältig und unterscheiden sich je nach Grunderkrankung und Inkontinenzform. Wichtig zur Planung des Vorgehens ist eine vernünftige Basisdiagnostik. Ohne diese Basisdiagnostik ist es meist nicht möglich, die Harninkontinenz effizient zu behandeln. Man unterscheidet im Wesentlichen konservative und operative Therapieoptionen. Bei der Belastungsinkontinenz wird je nach Grad zunächst ein Beckenbodentraining empfohlen. Die Optionen sind hier sehr vielfältig (Biofeedbacktraining, Magnetresonanzstuhl, reines Beckenbodentraining usw.) und sollten individuell an die Patientin angepasst werden. Natürlich gibt es auch medikamentöse und operative Therapiemöglichkeiten. Seit Kurzem wird als minimal-invasive Behandlung auch der Vaginallaser von den Fachgesellschaften empfohlen. Gerade bei leichtgradiger Inkontinenz lassen sich hier sehr schöne und vor allem nebenwirkungsarme Ergebnisse erzielen.
Auch die Dranginkontinenz kann konservativ, medikamentös oder operativ behandelt werden. Hier hat sich u.a. die Injektion von Botox in den Blasenmuskel sehr bewährt, sollten andere Therapieoptionen nicht den gewünschten Effekt erbringen.
Wie können Frauen in den Wechseljahren aktiv zur Erhaltung ihrer urogenitalen Gesundheit beitragen? Gibt es präventive Maßnahmen oder Lebensstiländerungen, die du empfiehlst?
Bei der Prävention der vulvovaginalen Atrophie/des urogenitalen Menopausensyndroms (Scheidentrockenheit, brennen, jucken…) sollte auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden. Hier lässt sich leider keine Pauschalaussage machen, sondern das Vorgehen sollte mit dem behandelnden Frauenarzt/ Urologen abgesprochen werden, damit auf spezifische Probleme eingegangen werden kann.
Die lokale Östrogenisierung (die Vagina ausreichend mit Östrogencreme versorgen) der Scheide ist nach wie vor der Goldstandard, sofern keine Kontraindikationen bestehen. Bis zu 70% der Frauen leiden menopausal bedingt unter Scheidentrockenheit und daraus resultierenden Folgeproblemen wie Harnwegsinfektionen oder Scheideninfektionen und auch Harninkontinenz.
Östrogene sind u.a. für die Aufrechterhaltung eines physiologischen vaginalen Mikrobioms und eines korrekten pH-Werts verantwortlich. Eine gesunde Vaginalflora zeichnet sich durch eine Dominanz von Lactobacillus-Spezies aus, die Glukose in Milchsäure und Essigsäure umwandeln, den vaginalen pH-Wert auf einen Bereich von 3,5-4,5 senken und vor vaginalen Infektionen und Harnwegsinfektionen schützen. Mit der Ausdünnung des Vaginalepithels aufgrund der Menopause werden weniger Plattenepithelzellen in das Vaginalsekret abgegeben, und die noch vorhandenen haben einen geringeren Glykogengehalt. Wenn der vaginale Glykogengehalt sinkt, nimmt die Population der Laktobazillen ab und der vaginale pH-Wert steigt.
Änderungen der Lebensweise sind ebenfalls sehr wichtig, da sie auf Risikofaktoren einwirken, die den Östrogenentzug beschleunigen und die Symptome verschlimmern können. Aus diesem Grund wird Patientinnen empfohlen, das Rauchen aufzugeben, da es die Bioverfügbarkeit von Östrogenen verringert, und im Falle von Fettleibigkeit Gewicht zu verlieren, da dieser Zustand den Blutfluss im Urogenitalbereich zu verringern scheint.
Bestehen Kontraindikationen für eine Östrogentherapie oder möchte die Patientin auf pharmakologische Therapieoptioenn verzichten, stellt die Lasertherapie der Vagina eine sehr gute Alternative dar.
Der Vaginallaser hat eine thermische Wirkung auf das Vaginalepithel, was zur Expression von Hitzeschockproteinen führt, die die Aktivität der Wachstumsfaktoren, die Neubildung von Gefäßen, die Neubildung von Kollagen und die Bildung der extrazellulären Matrix anregen und die Dicke und Elastizität der Vagina erhöhen. Neben der Reduktion detr Scheidentrockenheit führt die Lasertherapie auch zu einer Straffung der Vagina, was wiederum eine bestehende Harninkontinenz lindern kann.
„Bis zu 70% der Frauen leiden menopausal bedingt unter Scheidentrockenheit und daraus resultierenden Folgeproblemen wie Harnwegsinfektionen oder Scheideninfektionen und auch Harninkontinenz.“
Vaginallaser
Welche Ratschläge oder Informationen möchten du noch Frauen in den Wechseljahren geben, um sie über die Bedeutung der urogenitalen Gesundheit aufzuklären?
Die Urologie für die Frau wird nach wie vor stiefmütterlich behandelt, dabei leiden bis zu 70% der Frauen irgendwann in ihrem Leben unter urogenitalen Beschwerden.
Ich habe mir als Urologin das Ziel gesetzt, das Versorgungsniveau für Frauen und Frauengesundheit insgesamt und insbesondere für postnatale, perimenopausale und postmenopausale Frauen mit urogenitalen Problemen zu verbessern, da diese Beschwerden häufig einen enormen Einfluss auf die Lebensqualität haben und immer noch ein Tabuthema darstellen.
Es gibt vielfältige Behandlungsoptionen für Harninkontinenz, Harnwegsinfektionen und urogenitale Beschwerden, und ich kann nur jeder Frau raten, sich bei einer Expertin (egal, ob Frauenärztin oder Urologin) vorzustellen und beraten zu lassen. Je früher die Behandlung erfolgt, desto effektiver ist die Symptomlinderung.
Weitere Infos zu Dr. Dina Sahi findest du auf der Webseite:
www.urologie-sahi.de oder auf Instagram: @sahi_und_sahi
Fotos: @sahi_und_sahi