„Ärztinnen haben oft nicht viel Ahnung von den Wechseljahren. Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil es nicht Teil ihrer Ausbildung ist“, weiß Nadja (47). Sie sagt das nicht, um die Ärzte und Ärztinnen anzuprangern. Sie hat selbst diese leidvolle Erfahrung gemacht, dass ihr nicht genügend geholfen wurde . Und damit ist sie nicht allein. Wer aber kann uns Frauen in der Menopause dann unterstützen, uns aufklären? Dr. Google? Nein, Nadja! Sie ist ausgebildete Wechseljahreberaterin und Lifecoach: „In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf drei wichtige Säulen: Das Wissen über die Wechseljahre, die persönliche Entwicklung und Entspannungstechniken.“ All das hilft den Frauen mit denen sie arbeitet – und macht auch Nadja happy: „Es ist mir Herzensanliegen, dass Frauen Bescheid wissen. Wissen ist Selbstbestimmung! Dieses Wissen soll den Frauen einfach zugänglich sein. Und Wegschauen ist kein guter Ratgeber.“ Recht hat Nadja! Wie sie zu ihrem spannenden Beruf kam, was sie in ihren Wechseljahren überrascht hat und was ihre Arbeit genau ausmacht, lest ihr im ausführlichen Interview
dieAlte: Du bist Wechseljahreberaterin und Life-Coach, wie kam es zu dieser Kombination?
Nadja: Ich habe eine medizinische Grundausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege mit Schwerpunkt Psychiatrie, danach aber in ganz verschiedenen Berufen in der Schweiz und Costa Rica gearbeitet. Vor sechs Jahren kam ich mit meinem jetzigen Ehemann und unserem Kind nach Deutschland. Nachdem mein Kind in den Kindergarten gekommen war, habe ich mich beruflich weitergebildet. In Gesundheits- und Präventionsberatung, als Leiterin Autogenes Training und in Hypnose. Außerdem machte ich eine fast 1-jährige Ausbildung zur zertifizierten Life-Coach. Da ich selber mitten im Thema Wechseljahre war und es so schwierig war an Informationen zu kommen, habe ich dann noch die Zusatzausbildung zur Wechseljahreberaterin gemacht. Wissen ist Selbstbestimmung – dieses Wissen soll den Frauen einfach zugänglich sein, das war meine Intention und ist mir noch heute ein großes Anliegen. Darum habe ich mich auf die Beratung von Frauen ab 40 spezialisiert.
Ab 40 kommen für viele Frauen sehr grundsätzliche Fragen auf:
- Ist diese Partnerschaft, die ich führe, noch richtig?
- Macht mir eigentlich mein Beruf noch Spaß?
- Was will ich mit der zweiten Hälfte meines Lebens anfangen?
- Will ich so wie es ist weiter machen oder darf ich da mal genauer hinschauen?
- Was darf ich loslassen? Was haben meine heutigen Probleme mit meiner Kindheit zu tun?
Durch diese Reise begleite ich Frauen, als Reiseleiterin sozusagen.
In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf drei wichtige Säulen: Das Wissen über die Wechseljahre, die persönliche Entwicklung und Entspannungstechniken. Die Kombination aus Wechseljahre- und Lebensberatung finde ich sehr bereichernd und ergänzend.
„Ich wusste vorher gar nicht, dass es diese Ausbildung, oder grundsätzlich die Wechseljahre-Beraterinnen gibt. Es ist noch immer so. Weder die Ärzt:innen noch Frauen in den Wechseljahren wissen von uns Wechseljahre-Beraterinnen.“
Ich hatte schon mal ein Interview mit einer Wechseljahreberaterin mit Ellen Cornely-Peeters, kennst du sie?
Ellen ist eigentlich “schuld” daran, dass ich selber die Ausbildung zur Wechseljahreberaterin gemacht habe. Sie hat das Buch “Ach, Meno!” geschrieben, welches ich damals gelesen hatte. Darin beschreibt sie ihre Arbeit als Wechseljahreberaterin. Ich wusste vorher gar nicht, dass es diese Ausbildung, oder grundsätzlich die Wechseljahre-Beraterinnen gibt. Es ist noch immer so. Weder die Ärzt:innen noch Frauen in den Wechseljahren wissen von uns Wechseljahre-Beraterinnen. Es gibt uns als Deutschlandweite AG und bald werden wir ein Verein. Wir heißen “Frau im Wechsel”. Es gibt auch eine Wechseljahre-Beraterinnen-Suche. Die Meisten arbeiten vor Ort und online.
Ellen ist schon viele Jahre dabei. Leider haben wir uns noch nicht persönlich kennengelernt.
Die meisten Wechseljahre-Beraterinnen haben eine medizinische Grundausbildung. Arbeiten in diversen Berufen wie z.B. Ernährungsberaterinnen, Yogalehrerinnnen, Kräuterheilkunde, als Hebamme, in der Akutpflege, in eigener Praxis und bieten außerdem den Frauen Beratung und Aufklärung über die Wechseljahre an. Entweder ganz persönlich, sodass die Frauen gut aufgeklärt sind und für sich entscheiden können, welche Wege sie gehen möchten oder organisieren Gruppen Workshops, Infoabende, Kurse bei der VHS oder im privaten Rahmen, im Stil einer Tupperware Party – eine Frau lädt ihre Freundinnen ein und eine Beraterin macht eine Infoveranstaltung. Jede von uns hat ihr eigenes Konzept entwickelt.
Was uns alle verbindet, ist dieses tiefe Bedürfnis, die Frauen zu ermächtigen, ihre persönlichen und individuellen Weg zu finden und Entscheidungen für ihre Gesundheit und Wohlbefinden zu treffen.
Ich biete meine Beratungen als 1:1 online an. Zusätzlich veranstalte ich Infoabende vor Ort im Landkreis Heilbronn sowie Onlinevorträge. Gerne würde ich auch bei Firmen z.B. im Rahmen von Gesundheitstagen, Infoveranstaltungen machen, da bin ich bisher im Raum Heilbronn noch nicht auf offene Türen und Ohren gestoßen.
„Was die Wechseljahreberaterin alle verbindet, ist dieses tiefe Bedürfnis, die Frauen zu ermächtigen, ihre persönlichen und individuellen Weg zu finden und Entscheidungen für ihre Gesundheit und Wohlbefinden zu treffen.“
Du bist mit 39 Jahren zum ersten mal Mutter geworden und mit 41 Jahren in die Wechseljahre gekommen, wie geht sowas?
Ich wollte eigentlich schon 7 Jahre früher Mutter werden. Das hat mit meinem Ex-Mann einfach nicht hingehauen.
Als ich dann mit meinem jetzigen Mann zusammen kam, war ich recht schnell schwanger – das Hormonhoch mit erhöhter Frequenz in der Verliebtheitsphase hat da gut mitgeholfen 😀.
Ich hatte schon mit Mitte 30 unregelmäßige Zyklen. Was ich damals aber nicht interpretieren konnte. Ich bin 3 Jahre gereist und gynäkologische Vorsorge war nicht von großer Priorität. Als ich dann in Costa Rica gelebt habe und zur Vorsorge war, wurde gesagt, dass das wohl bei mir so ist, alles in Ordnung sei.
Nach meiner späten Schwangerschaft habe ich oft gewitzelt, dass ich von der Schwangerschaftsdemenz – in die Stilldemenz und gleich über in die Altersdemenz gleiten würde. Tatsächlich fand ich es besorgniserregend, wie viel ich vergaß. Wie oft ich den Namen meines sehr gut bekannten Gegenübers nicht wiederfinden konnte in meinem vom Hormonmangel unordentlichen Gehirn. Ich hatte keine Ahnung, womit das zusammenhing.
Vor fünf Jahren, nachdem ich schon in Deutschland lebte und endlich eine Gynäkologin gefunden hatte, die mich als Patientin aufnahm, habe ich die “Diagnose” Wechseljahre erhalten.
Ich war total vor den Kopf gestoßen. Die einzige Information, die ich von der Ärztin bekam, war: “wenn sie keine Kinder mehr wollen, sollten sie trotzdem verhüten”. Meine einzige Frage war: “muss ich jetzt Hormone nehmen, wegen Osteoporose Gefahr?”. Ich weiß nicht genau, wo das herkam, irgendwas aus der medizinischen Grundausbildung ist da wohl doch hängen geblieben 😀.
Ich bin eine, die gerne recherchiert. Natürlich habe ich mal google zu den Wechseljahren befragt. Da kam als Erstes die Apotheker Umschau. Versteh mich bitte nicht falsch, die Apotheker Umschau hat absolut ihre Daseinsberechtigung, doch 2018 hat die Apotheker Umschau noch kein sehr positives Bild der Wechseljahre gemalt. Besonders nicht für eine 41-jährige.
Anschließend kaufte ich mir jedes Buch, was mir unter die Finger kam. “Weisheit der Wechseljahre” von Dr. Christiane Northrup und “Wechseljahre? Keine Panik!” von Katja Burkard waren dann mitunter die ersten, die mich über die Wechseljahre aufgeklärt hatten.
Ich war 41 Jahre alt. Der latente Wunsch – wär halt schon schön ein Geschwisterchen für unseren Sohn – war dann auch schnell ausgewünscht.
Was aber für mich wirklich schlimm war, war mein Unwissen zu Beginn der Wechselreise. Morgens kam ich kaum aus dem Bett, meine Gelenke waren steif, mein Rücken schmerzte. Nicht vergessen, ich hatte ein 2-jähriges Kind. Außerdem habe ich mein Kind wegen Nichtigkeiten angeschrien – wie ein Stier in Rage – das fällt mir heute noch schwer, mich dafür nicht zu verurteilen. Dann dieser Brainfog, die echt miese Stimmung bis zu depressiven Verstimmungen.
Tatsächlich hatte ich keinen Stress. Ich durfte die Zeit mit meinem Kind verbringen, musste in dieser Zeit nicht arbeiten. Es ging mir eigentlich wirklich gut, sollte es zumindest. Ich hatte keine Erklärung für meinen Zustand.
Aber ist das nicht zu früh mit 41 Jahren in die Wechseljahre zu kommen?
Hormonelle Schwankungen mit Zyklen ohne Eisprung beginnen bei vielen Frauen schon ab 35 Jahren. Nicht umsonst wird auch gesagt, dass es ab 35 Jahren immer schwerer wird, schwanger zu werden.
Ich kam schlussendlich mit 43 kurz vor 44 in die Menopause, sprich Postmenopause. Das ist früh und nicht die Regel, aber auch nicht sehr außergewöhnlich. Durch Umweltgifte, die Pille als Verhütungsmittel schon in jungen Jahren, genetische Disposition etc. scheint es auch immer häufiger zu werden. Doch üblicherweise kommen Frauen so ca. mit 52 plus Jahren in die Menopause.
Kurz zur Erklärung: Die Menopause wird im Nachhinein bestimmt. Wenn eine Frau ein ganzes Jahr keine Periodenblutung mehr hatte – auch keine Schmierblutung – ist sie in der Menopause. Ab diesem Tag beginnt die Postmenopause. Erneute Blutungen und eine Schwangerschaft sind ab diesem Zeitpunkt fast ausgeschlossen.
„Was aber für mich wirklich schlimm war, war mein Unwissen zu Beginn der Wechselreise. Morgens kam ich kaum aus dem Bett, meine Gelenke waren steif, mein Rücken schmerzte. Nicht vergessen, ich hatte ein 2-jähriges Kind. Außerdem habe ich mein Kind wegen Nichtigkeiten angeschrien (…)“
Was hat dich am meisten überrascht bei deinen Wechseljahren?
Wie wenig ich über die Wechseljahre wusste. Frauen mit hohem Bildungsgrad, mit unglaublichen Karrieren, Top-Familienmanagerinnen, wissen genauso wenig darüber. Es ist tatsächlich von keinem Bildungsstand abhängig, wie viel die Frauen über die Wechseljahre nicht wissen.
Dass dieses Thema mit so großen Tabus behaftet ist, überrascht mich noch immer. Auf Instagram und auch in Zeitschriften ist das Thema jetzt in Mode – Gott sei Dank! Und trotzdem wurde dieses Jahr ein Onlinevortrag von mir nicht nach Außen kommuniziert bei einem Netzwerk von Führungsfrauen, wie sie das normalerweise mit Vorträgen machen. Sie wollten nicht mit diesem Thema “identifiziert” werden. Verrückt.
Freudig überraschen tut mich aber tatsächlich immer wieder, wie Frauen sich immer mehr solidarisieren in dieser Etappe ihres Lebens. Schade, dass wir es oft nicht schon früher hinbekommen haben. Das ist so wundervoll unterstützend!
Außerdem ist es einfach schön, wie die meisten Frauen beginnen, sich selbst zur Priorität zu machen. Alles andere macht uns nämlich krank. So ging und geht es auch mir. Zudem wird einem immer “egaler”, was andere denken – ach, was für eine Befreiung!
Hattest du genügen Informationen, hast du dich gut vorbereite gefühlt für deine Wechseljahre?
Wie schon erwähnt, ich dachte, Frau schwitzt, hat starke Blutungen und hat dann keine Tage mehr. Punkt.
Dieses Nichtwissen bei mir und fast allen Frauen ist schon fast skandalös. Viele Frauen wollen auch keine Wechseljahre haben, da wir in dieser Phase mit vielem konfrontiert werden, was wir noch gar nicht wahrhaben wollen. Zum Beispiel der Verlust der Fertilität, was fast gleichgesetzt wird mit Verlust der Weiblichkeit. Mit dem Altern. Mit Grenzen der Leistungsfähigkeit etc.
Ich finde jedoch, dass wegschauen kein guter Ratgeber ist.
Es ist mir Herzensanliegen, dass Frauen Bescheid wissen. Wissen ist Selbstbestimmung!
Es kommt aber auch eine Angst hinzu, sich aus der eigenen Komfortzone zu bewegen. Dabei sind die Bearbeitung der Fragen, die in uns aufkommen, eine enorme Chance, das Leben zu leben, was wir uns wirklich, wirklich wünschen.
„Ich wünsche mir auch ein besseres Image für die Wechseljahre. Sie sind häufig immer noch mit dem Stigma „alt”, „angestaubt” und „unfruchtbar” versehen. Dabei ist es lediglich eine neue Phase, in der sich Frauen ganz neu erfinden und unglaublich viele Perspektiven haben.“
Welche Frage bewegt die Frauen am meisten, die in deine Beratung kommen?
Ich würde mir wünschen, dass Frauen sich frühzeitig über die Wechseljahre informieren. 100% von uns kommt in die Wechseljahre. ⅓ der Frauen ohne große Probleme. ⅔ der Frauen jedoch haben starke bis lebensbeeiträchtigende Symptome. Es macht so einen großen Unterschied, wie gut wir darüber Bescheid wissen, was da eigentlich alles mit unserem Körper und unserer Psyche passiert, wenn die Hormone nicht im Gleichgewicht sind. Ärztinnen haben oft nicht viel Ahnung von den Wechseljahren. Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil es nicht Teil ihrer Ausbildung ist. Nicht einmal in der Fachausbildung wird das Thema tiefgründig behandelt. Nicht in einem Maße, wie es angebracht wäre. Oft werden Frauen nicht ernst genommen, die Symptome abgetan mit – das sind die Wechseljahre, da müssen sie halt durch. Die Gynäkolog:innen kriegen die Beratung von Frauen in den Wechseljahren leider auch überhaupt nicht vergütet. Da schließen wir als Wechseljahre-Beraterinnen eine Lücke.
In der Beratung kann ich mir die Zeit nehmen, die die Ärzt:innen nicht haben. Ich kann helfen, die Symptome einzuordnen. Aufklären darüber, was frau dafür tun kann. Über die Bioidente Hormontherapie aufklären und diese alte Angst vor einer Hormonersatztherapie erklären und wie diese entstanden ist. Damit die Frau ihren individuellen Weg finden kann – mit oder ohne Hormone – aufgrund von aktuellem Wissen, nicht aus einer Angst heraus. Außerdem kann ich helfen, Fragen für ein nächstes Arztgespräch zu formulieren, um gut vorbereitet die knappe Zeit auszunutzen.
„Es macht so einen großen Unterschied, wie gut wir darüber Bescheid wissen, was da eigentlich alles mit unserem Körper und unserer Psyche passiert, wenn die Hormone nicht im Gleichgewicht sind.“
Weitere Infos zu Nadja und ihrer Beratung findest du hier: www.ohneregel.de oder auf Instagram ohneregel.de